Story 18 – Sandra

Ich warte auf Sandra etwas abseits vom Lagerfeuer. Viele Eltern sind in Aufbruchsstimmung, es liegt Unruhe in der Luft und ich bin aufgeregt Sandras Geschichte zu hören. Sie startet in Marroko.

Sandra ist quasi hochschwanger in der Wüste gestrandet. Zusammen mit ihrer kleinen Familie wollte sie vor der Geburt ihres zweiten Kindes die Familie ihres Mannes in Marokko besuchen. Und dann schließen weltweit die Grenzen. Dass alles noch komplizierter geworden sein könnte, kann ich kaum glauben:

Zwei Monate später hat Sandras Familie die Rückkehr nach Deutschland rechtzeitig vor der Geburt ihres zweiten Kindes geschafft. Nachdem Sandras zweiter Sohn in Berlin auf die Welt gekommen ist, wurde Sandras älterem Sohn eine Diagnose gestellt.

Diese Belastung stelle ich mir sehr schwer vor: Ein Neugeborenes zu Hause haben und gleichzeitig die Erkenntnis verarbeiten, dass das große Kind mit Diabetes Typ 1 leben wird. Und der Umgang mit alle dem wird zusätzlich noch durch eine weltweite Pandemie erschwert.

Es sind Erlebnisse wie die von Sandra, die mir wieder klar machen, wie sehr die Menschen während des Lockdowns auf ihr privates Netzwerk zurückgeworfen wurden. Und wie sehr sich die Lage zuspitzen kann, wenn die privaten Kontakte nicht aushelfen können. In Sandras Fall brach ihr privates Netzwerk durch einen Umzug und den darauffolgenden Kitawechsel weg.

Sandra berichtet noch, dass es ihr schwer fiel ein neues Netzwerk aufzubauen, da sie mit Säugling und erkranktem Kind einfach zu beschäftigt war. Sie hätte sich oft „ganz schön einsam gefühlt“. Zum Glück hat sie aber letztendlich Hilfe in der Nachbarschaft gefunden. Ihre Nachbar*innen haben sie sehr unterstützt, obwohl sie sie gerade erst kennenlernt hatten. Sie hätte Glück gehabt, meint Sandra, ohne die Nachbarschaft wäre es schwierig gewesen die Situation zu durchstehen. Ich merke, dass Sandra die Erinnerungen an diese schwere Zeit nahe gehen. Ich bedanke mich bei ihr, dass sie sich mir gegenüber so öffnet. Ich frage nach, was ihr geholfen hätte.

Dass der winterliche Lockdown Eltern und Kinder vor große Herausforderungen gestellt hat, wird an Sandras Beispiel sehr deutlich. Ihr Wunsch nach einem Ort, wo ihre Kinder mit gleichaltrigen hätten spielen und toben können, ist sehr nachvollziehbar für mich. Begegnungen mit Abstand, in kleinen Gruppen oder online sind für kleine Kinder einfach nicht ausreichend. Sandra schildert wie sich diese Lage für sie angefühlt hat.

Unser Gespräch wird wieder unterbrochen und wir verabschieden uns. Sandra und ihre Kinder müssen jetzt nach Hause. Die meisten Familien sind schon gegangen, die Sonne hat sich inzwischen verzogen und es ist kühl geworden. Mir ist Sandras Geschichte auch nah gegangen und ich setze mich erstmal wieder näher an die Feuerstelle.

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