Story 13 – Esra

Ich setze mich etwas abseits und beobachte die Gruppe ums Lagerfeuer. Es herrscht höchste Konzentration. Eltern halten ihre Kinder von hinten fest, damit sie nicht zu nah ans Feuer treten, das inzwischen schön hoch lodert. Alles sehr spannend für die Kleinen. Enttäuschte Gesichter, bei denen der Knüppelteig anbrennt. Eine Familie sticht mir ins Auge. Sie sitzen alle zusammen nah am Feuer, die Mutter ist besonders konzentriert. Ihr Stockbrot wird nicht anbrennen, da bin ich mir sicher. Der Vater bringt noch Würstchen und holt Getränke. Ich warte bis sie aufgegessen haben und näher mich dann der Frau. Sie heißt Esra und hat zwei Söhne, einer ist 7 und geht in die zweite Klasse, der andere ist 4 Jahre alt. Der Große steht beim Gespräch neben seiner Mutter und hört interessiert zu. Ich erzähle Esra von meiner Familie und dass wir unter dem Platzmangel in unserer kleinen Wohnung gelitten haben. Sie scheint das Problem zu kennen.

Und doch ist die Situation von Esras Familie natürlich ganz anders. Dass ihr kleiner Sohn, die Zeit zu Hause genossen hat, überrascht mich. Meinem Sohn, der im selben Alter ist, hat die Kita und der Austausch mit Gleichaltrigen gefehlt. Dachte ich. Aber vielleicht irre ich mich ja auch. Vielleicht hat mir einfach die Zeit gefehlt, die er normalerweise in der Kita war. Während wir uns unterhalten tobt Esras kleiner Sohn mit seinem Vater wild herum. Wir müssen lachen. Ich habe den Eindruck, dass ihr etwas anderes Sorgen bereitet.

Ich frage sie, ob sie glaubt, dass das erste Schuljahr für ihren großen Sohn verloren gegangen sei. Ihre präzise Antwort stimmt mich nachdenklich.

Die Eltern haben sich viel Mühe gegeben den Kindern stets etwas trotz Lockdown zu bieten. Dass bestimmte Dinge nicht planbar sind, mussten auch sie erleben.

Ich erinnere mich noch sehr gut an das Gefühl, dass einem die Ideen während des Lockdowns ausgegangen sind: Was wollen wir heute mit dem Kind unternehmen? Was wollen wir kochen? Nach ein paar Wochen war es schwer noch Abwechslung zu finden. Es fühlte sich an als würde dieser Zustand niemals enden. Gefangen im Hamsterrad. Esra spricht noch einen anderen Punkt offen als Belastung an.

Ich bedanke mich bei Esra und setze mich wieder etwas abseits. Die Erinnerung an den Lockdown wühlt mich auf. Ich atme kurz durch. Auf einmal steht Esra neben mir und will noch eine Erfahrung mit mir teilen.

Dieses Unwohlsein, das Esra beschreibt, ist mir auch nur zu bekannt. Ich glaube, wir werden wieder üben müssen, unbefangen miteinander zusammen zu sein. Nicht nur in der Familie oder mit Freunden, sondern auch wieder neben Fremden im Theater, in Fussballstadien, auf Parties oder wie hier am Lagerfeuer.

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